Kreativität ist die Schlüsselressource für Innovationen. Doch sie ist wie eine launische Diva, die die richtigen Umstände braucht. Heiterkeit und Muße gehören dazu. Miteinander - statt gegeneinander - und ein kameradschaftlicher Stil schaffen Austausch und angstfreie Räume. Deshalb wird in florierenden New-Economy-Firmen auch so viel Wert auf ein inspirierendes Umfeld gelegt.
In traditionellen Unternehmen sind die Manager keine Rebellen, sondern allenfalls Optimierer. Ideenlosigkeit, Mutlosigkeit und Zögerlichkeit sind die Folge. Wer Sicherheit will, wird den Trippelschritt-Modus wählen: Hier noch ein paar PS, da mehr Design, dort ein neues Feature, die Verpackung größer, das Etikett bunter und dann das Zeugs billig in den Markt geworfen, um es der Konkurrenz mal so richtig zu zeigen.
Wirklich bahnbrechendes hat in tradierten Organisationen sehr schlechte Karten. Quer denken? Muster brechen? Wird theoretisch zwar gefordert, aber praktisch höchstens in kleiner Dosis gewünscht. Linear weiterplanen bedeutet: Mehr vom Gleichen und damit zunehmende Belanglosigkeit. Eine Disruption hingegen ist der Sprung durch die Feuerwand der Unsicherheit. Wer die Zukunft erreichen will, muss da durch.
Angst ist der größte Fortschrittskiller
Jede Veränderung - und damit auch jede Innovation - bedeutet zunächst, dass etwas bislang Unbekanntes entsteht, von dem niemand ganz sicher weiß, ob es besser oder schlechter sein wird als das davor. Ja, man kann den Wandel ignorieren oder bekämpfen. Besser ist es jedoch, ihn zu umarmen. Den Fortschritt aufhalten wollen? Wer seine Verweigerungshaltung behält, verschwindet in der Bedeutungslosigkeit.
Genügend Menschen werden es kaum abwarten können, jede technologische Neuerung auszuprobieren. Aus den positiven Erfahrungen solcher Early Adopter, Vorreiter und Pioniere erwachsen dann neue Anforderungen an alle Player im Markt. So wird das Neue zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens.
Was menschenmöglich ist, erweitern wir, seitdem es uns Menschen gibt. Vorsprung ist das Ziel. Und FOMO (fear of missing out), also die Angst, bei etwas, das gerade abgeht, nicht dabei zu sein und damit den Anschluss zu verpassen, wird selbst die Nachzügler unter den Kunden dazu bringen, der digitalen Vorhut schnellstens nachzueifern.
Befruchtung braucht räumliche Nähe
Inspiration entsteht durch unkomplizierte Austauschmöglichkeiten. Und gegenseitige Befruchtung braucht räumliche Nähe. Jeder Gedanke wird klüger, schärfer, präziser, wenn man ihn mit anderen teilt.Co-kreativ nutzt man am besten die „Weisheit der Vielen“ und integriert jeden hilfreichen Einfall, ganz egal, von welcher Seite er kommt.
Gerade die „Jungen Wilden“ brennen darauf, neue Ideen für existierende Ineffizienzen zu erschließen. Herkömmliches wird radikal infrage gestellt und Vorhandenes völlig neu kombiniert. Experimentell suchen sie nach Neuentwürfen und besseren, schnelleren Lösungen als die, die es am Markt bereits gibt. Dazu braucht es Neugierde, Offenheit und Zugang zu einer Gemeinschaft, mit der man sich besprechen kann.
Nur selten sind es Heureka-Momente, die Innovationen zugrunde liegen. Meist geht es um Gedankenrohlinge, die sich durch Anreicherung langsam in eine bahnbrechende Idee verwandeln. Also ist, damit dies geschieht, eine Kultur von Konnektivität, Dichte und Nähe sehr wichtig. In modernen Arbeitslandschaften ist das gegeben.
Kreativität mag Gesellschaft und Muße
Kreativität entwickelt sich am besten dann, wenn Menschen sich sehen. Warum das so ist? Physische Nähe erzeugt mehr emotionale Zugkraft als virtuelle Distanz. Zudem zeigt sich in Gestik und Mimik die wahre Gesinnung. Empathie glückt definitiv besser bei räumlicher Nähe. Auch Vertrauen, der Komplexitätsreduzierer par excellence, braucht Präsenz. Wen wir nicht persönlich kennen, dem vertrauen wir eher nicht.
Zudem wichtig zu wissen: Die Denkarbeit des Gehirns verläuft in vier Phasen: Inspirieren, konzentrieren, aktivieren, regenerieren. Diesen Rhythmus gilt es zu unterstützen, denn Gehirne ermüden sehr schnell. Vor allem Ideenfindung und Kreativität brauchen Phasen der Regeneration. Doch leider: „Bitte kein Sofa“, hört man von so manchem Chef, wenn es um die Büroneukonzeption geht.
„Meine Leute sollen arbeiten und nicht rumhängen“, heißt es als Begründung. Kopfarbeiter kontrollieren? Die pure Anwesenheit am Schreibtisch ist kein Garant für Leistung. Einfallsreichtum gedeiht nicht auf Befehl, sondern braucht ein passendes Umfeld. Rückzugsorte im Grünen und gemeinsame Spaziergänge sind dabei sehr willkommen. Auch Farben, Düfte und Musik unterstützen die Schöpferkraft.
Kreativität braucht das richtige Umfeld
Heutzutage dauert das Erstellen von Prototypen, das Testen am Markt und das Einholen qualifizierter Kundenfeedbacks nur noch Tage, nicht mehr Monate oder Jahre. Diese Zeitersparnis machen agile Teams zu ihrem Wettbewerbsvorteil. Warum also bei der Ideenfindung und Planung Zeit vertrödeln? Wer eine entsprechend bewegliche Unternehmenskultur schafft, der kann die junge Generation für sich begeistern.
Dort, wo stattdessen verkrustete Hierarchiestrukturen bestehen, wird riskiert, dass die besten jungen Talente nicht lange zu halten sind. Denn jüngere Generationen sind nicht mehr darauf angewiesen, sich auf eine vorgegebene Arbeitsweise einzulassen. Sie suchen sich einen Arbeitgeber, der ihren Vorstellungen gerecht wird, oder sie wechseln zu denjenigen, die ihre Werte teilen: New-Economy-Unternehmer.
So umgeht die junge digitale Elite immer öfter die alten Strukturen und praktiziert Offenheit, Innovation und Kollaboration einfach untereinander. Als Disruptoren arbeiten sie übrigens gar nicht auf den Untergang etablierter Unternehmen hin. Sie konzentrieren sich nur exakt auf das, was für die Kunden von heute und morgen besser ist als den alten Kram, an den sich die Old Economy so gerne klammert.
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Anne M. Schüller
Zukunft meistern
Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter | Nachhaltigkeit - Transformation - Innovation
Gabal Verlag 2019, 232 Seiten, 29,90 Euro
ISBN: 978-3-96739-181-7
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