Wer könnte ein Unternehmen besser präsentieren, als die Schar der begeisterten Mitarbeiter? Jeder Beschäftigte kann zum Meinungsmacher für seine Firma werden. Dies geht über das reine Weiterempfehlen weit hinaus. Heutzutage macht man seine Mitarbeiter zu Influencern.
In ihrem persönlichen Umfeld haben die Mitarbeiter schon immer als Botschafter gegolten. Allerdings beschränkte sich die Möglichkeit zum Weiterempfehlen bis vor wenigen Jahren auf Familienmitglieder, Nachbarn und Freunde. Mundpropaganda fand in einem überschaubaren Rahmen statt. Sie war zwar hörbar, aber nicht sichtbar. Und sie war flüchtig, denn sie musste erinnert werden.
Heutzutage wird das, was Mitarbeiter von ihrem Arbeitgeber halten, im Web artikuliert und so mit der ganzen Welt geteilt. Jeder, der das liest, kann das dann wiederum in dessen Netzwerk weiterverbreiten. Deshalb müssen Unternehmen jetzt und in Zukunft noch stärker sicherstellen, dass sie zu den wirklich Guten gehören.
Doch einer Untersuchung der YouGov Psychonomics AG zufolge äußern sich in Deutschland lediglich 49 Prozent der Arbeitnehmer zustimmend zu folgender Aussage: „Freunden und Bekannten berichte ich viel Positives über meinen Arbeitgeber.“ Demgegenüber wurden bei Top-Arbeitgebern über 90 Prozent der Befragten aktiv.
Mundpropaganda ist heutzutage öffentlich – und viral
Heutzutage kann ein Externer so ziemlich alles erfahren, was hinter den Kulissen einer Firma passiert. Dazu besucht er Foren und Arbeitgeber-Bewertungsportale. Oder er folgt den Spuren derjenigen, die in sozialen Netzwerken die Online-Gemeinde befragen, etwa so: „Wie gehen die Führungskräfte bei euch mit den Leuten um?“ Oder so: „Welche Erfahrungen habt ihr beim Bewerbungsgespräch mit Firma … gemacht?“
Höchstwahrscheinlich wird sich ein Interner oder Ehemaliger finden, der die passenden Antworten gibt. Und die Unternehmen haben keinerlei Kontrolle darüber, was die Beschäftigten dem Cyberspace alles anvertrauen. Zum Beispiel ist YouTube voll von Clips, die frustrierte Mitarbeiter heimlich im Büro gedreht oder nachgestellt haben, um Missstände und Fehlverhalten offenzulegen.
Influencer erhöhen Reichweite und Glaubwürdigkeit
Natürlich geht es auch andersherum: Jeder Beschäftigte kann zu einem tatkräftigen Ambassador seiner Firma werden und die Arbeitgebermarke stärken, wo es nur geht. Und das lässt sich systematisch entwickeln, geht also über das reine Weiterempfehlen, das dem Gutdünken des einzelnen Mitarbeiters unterliegt, weit hinaus. So steht der neumodische Begriff Corporate Influencer für Angestellte, die von ihrem Unternehmen ganz gezielt als Botschafter eingesetzt werden.
Hierdurch entsteht eine Glaubwürdigkeit, die jede offizielle Verlautbarung übersteigt. Auch Sichtbarkeit und Reichweite lassen sich so erhöhen. Warum das so ist? Die User im Web werden mit spannenden Inhalten, die von Personen aus ihren Netzwerken kommen, um ein Vielfaches stärker interagieren als mit Botschaften, die von den Anbietern selbst ausgestreut wurden. Ferner kann man über die Mitarbeiter auch Kanäle bespielen, die ein Unternehmen selbst gar nicht im Fokus hat.
Der Stepstone Employer Branding Report fand kürzlich heraus, dass 81 Prozent der 6.000 Befragten aus acht europäischen Ländern den Ratschlägen ihres persönlichen Umfeldes Vertrauen schenken. Aber nur 22 Prozent vertrauen den Arbeitgeberaussagen. Es ist also sinnlos, allzu viel Geld in die eigene Arbeitgeberwerbung zu stecken, weil die Wirkung verpufft. Besser, man macht seine Mitarbeiter zu Promotoren.
Wie man die eigenen Mitarbeiter zu Botschaftern macht
Auf gut gemachten Company-Websites reden nicht nur die Unternehmen selbst, die eigenen Mitarbeiter reden ebenfalls mit. Sie können Fachartikel, Anwendergeschichten und Blogbeiträge verfassen oder bei Fragen Rede und Antwort stehen. Hier einige Beispiele aus verschiedenen Branchen zwecks Inspiration:
- Auf der Homepage erzählen die Mitarbeiter selbst, wie sie mit spezifischen Wünschen der Kunden umgehen und den Service gestalten.
- Neuen Bewerbern erklärt nicht die Personalabteilung, sondern ein Beschäftigter an seinem eigenen Arbeitsplatz, was es mit der ausgeschriebenen Stelle auf sich hat.
- Kein Website-Texter, sondern eine Fachkraft aus dem Versand erläutert den Verpackungsprozess und die lückenlose Lieferkette.
- Nicht durch die Pressestelle, sondern über einen eingebundenen Azubi-Blog wird Interessantes aus dem Betriebsalltag nach draußen getragen.
- Kommen im Social Web Fragen zur Funktion einer Maschine, kann jemand aus dem Konstruktionsteam im Kommentarfeld die passende Auskunft geben.
- Geht es um den Fertigungsprozess, erläutert ein Arbeiter direkt vom Montageband aus per Video die einzelnen Schritte.
- Ein Werkstudent veranschaulicht, wie der Einsatz eines Industrieroboters ganz genau funktioniert und wie die Zusammenarbeit mit ihm klappt.
- Will jemand etwas über die chemische Zusammensetzung eines Produktes erfahren, dann kommt die Laborantin sachkundig zu Wort.
Überzeugt? Dann legen Sie los! Am besten lassen Sie ein paar interessierte Mitarbeiter selbst nach passenden Möglichkeiten für die eigene Firma suchen.
Wie man Corporate Influencer für ihre Aufgabe schult
In jeder Organisation gibt es Originale und Alltagshelden, die einen zum Schmunzeln oder zum Staunen bringen. Sie sagen mehr über den Spirit eines Anbieters als jede Werbebroschüre das könnte. Sie lassen ein Unternehmen offener, freundlicher, vertrauensvoller, menschlicher und glaubwürdiger erscheinen. Sicht- und hörbare Mitarbeiter geben dem Unternehmen Persönlichkeit. Und Frische. Und Authentizität.
Alle Welt kann nun erkennen: Ein anonymes Firmenkonstrukt mit seinen sterilen Verlautbarungen hat sich in ein lebendiges Gebilde nahbarer Individuen verwandelt, mit denen man klasse reden kann. Dies stärkt nicht nur die Reputation in der Öffentlichkeit, sondern auch den Wert einer Arbeitgebermarke. Und darüber hinaus: Menschen, die man schätzt und mag, werden viel seltener angegriffen als gesichtslose Unternehmen.
Die Fähigkeit, sich in einer netzwerküblichen Sprache zu äußern, bringen die Jüngeren schon von Haus aus mit. Hier muss höchstens auf eine angemessene Wortwahl geachtet werden. Den anderen, die mitmachen wollen, bringt ein fähiger Mitarbeiter aus dem Kommunikationsbereich die notwendigen Kenntnisse bei. Ein kleines AbisZ-Manual mit den notwendigen Tipps und/oder ein entsprechendes Erklärvideo sind sehr hilfreich.
Freiwilligkeit und genügend Zeit sind ein Muss
Natürlich eignet sich nicht jeder für diese Rolle. Freiwilligkeit ist also ein Muss. Zum Start eines Corporate Influencer Programms sollte man mit einer kleinen Gruppe von Interessierten beginnen. Je nach Unternehmensgröße kann diese nach einer Pilotphase erheblich erweitert werden. Corporate Influencer brauchen für ihre neue, ergänzende Tätigkeit genügend Zeit. Keinesfalls darf die Freizeit dafür herhalten müssen. Das direkte Einbinden der Mitarbeiter bringt nicht nur draußen am Markt, sondern auch intern sehr viele Vorteile: Es führt zu einem Plus an Wertschätzung, an Motivation, an Engagement, an Leidenschaft und Loyalität – auch bei denen, die zwar selbst nicht aktiv sind, aber das Engagement der Kollegen mitverfolgen. Außerdem: Wer “offiziell” für seine Firma sprechen darf, wird sie nicht hinterrücks schlechtmachen und sabotieren.
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