EU-Urheberrecht: Zensur oder Schutz?

Auswirkungen für Selbstständige und Unternehmen

16. Mai 2019

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Darf man künftig noch Videos auf Facebook teilen? Oder interessante Zeitungsartikel twittern? Oder werden Upload-Filter zu einer Internetzensur XXL führen – YouTube sogar abgeschafft? Wir machen den Faktencheck zum neuen EU-Urheberrecht? Und klären auf, was erlaubt ist und was nicht. 

 

Es ist beschlossene Sache: Der EU-Rat, konkret die Regierungen der 28-Mitgliedsstaaten, haben am 15.04.2019 die umstrittene Urheberrechtsreform abgesegnet. Damit nahm die neue Richtlinie zum Schutz geistigen Eigentums ihre letzte Hürde. Sie muss jetzt bis 2021 von den EU-Ländern in nationales Recht umgesetzt werden.

 

Über zwei Jahre lang wurde heftig über die Neuregelung debattiert. „Digitale Bücherverbrennung“. „Das Ende des freien Internets“. „Zensurmaschinen“ – so lauteten die Schlagzeilen. Hunderttausende liefen europaweit Sturm gegen die Pläne aus Brüssel – vergebens! Im Zentrum der Kritik – der Artikel 13 (jetzt Artikel 17) und die in der Folge befürchtete Einführung von Upload-Filtern.

 

Der neue Artikel 17: Worum geht es?

Das verschärfte Urheberrecht besagt, dass nicht mehr derjenige die Urheberrechte verantwortet, der Videos, Musik, Fotos, Texte oder Grafiken ins Netz stellt. Stattdessen sollen Plattformen, wie etwa YouTube, Instagram und Facebook, von nun an selbst dafür geradestehen, was über deren Kanäle „on air“ geht. Anders gesagt: Portalbetreiber müssen ihre Nutzer daran hindern, urheberrechtlich geschütztes Material hochzuladen. Sie sind dazu aufgefordert, „alle Anstrengungen“ zu unternehmen, um Genehmigungen von den Rechteinhabern einzuholen, bevor sie den Content senden. Tun sie dies nicht und veröffentlichen die Inhalte einfach so, werden die Plattformen dafür haftbar gemacht.

 

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Rechteinhaber können Plattformen sogar auf Unterlassung und Schadenersatz verklagen.
 

 

Shitstorm gegen Upload-Filter

Sogenannte Upload-Filter, eine serverseitige Software, die Dateien beim Hochladen prüft, abweist oder verändert, sollen die Plattformen davor schützen. Ihre Befürworter führen den fairen Ausgleich zwischen Urhebern und Plattformen ins Feld. Demnächst sollen Künstler und Kreative mehr Geld für ihre Arbeit erhalten. Dass die Software massenhaft Uploads zu Unrecht blockiert, weil Maschinen Fehler machen, legale Nutzung nicht erkennen können, sagen die Gegner. Sie sehen überdies die Macht der großen Plattformen, Verlage und Plattenlabels gestärkt. Kleinere Wettbewerber wären nach deren Lesart außer Stande, eigene Filtersysteme zu entwickeln. Sie müssten die Software teuer einkaufen.

 

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Webstars wie Gronkh (fast 5 Millionen Follower unter YouTube) und Simon Unge gingen gegen die EU-Urheberrechtsreform auf die Barrikaden. Die deutschsprachige Wikipedia hatte am 21.03.2019 die zu erwartende Protestwelle mit einem schwarzen 24-Stunden-Offline-Bildschirm eingeläutet.
 
 

Auswirkungen für Unternehmen 

Viele Ausnahmen – nicht nur für Start-up-Plattformen

 

  • Start-up-Plattformen, die höchstens drei Jahre alt sind, weniger als fünf Millionen Nutzer pro Monat haben und maximal zehn Millionen Euro pro Jahr Umsatz erwirtschaften, haften erst dann für Rechtsverletzungen von hochgeladenem nicht lizensiertem Material, wenn sie darauf hingewiesen werden.
  • Ausnahmen gibt es auch für nicht profitorientierte Plattformen wie z.B. Wikipedia, aber auch für E-Mail-Anbieter, Cloud-Anbieter wie die Dropbox und Handelsplattformen wie Amazon und eBay.
  • Sonderregelungen, insbesondere beim gedruckten oder gesprochenen Wort gelten ebenfalls, wenn man geschütztes Material für Zitate, Kritiken, Rezensionen und satirische Parodien verwendet.

 

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Artikel 17: Highspeed-Surfen mit neuen Limits

Das Internet ist ein sehr schnelles Medium. Mit Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G wird der Speed nochmals um Längen übertroffen. Wenn allerdings künftig jeder Upload auf geschütztes Material vorher geprüft werden muss, kostet dies Zeit. Sie müssen dann bestimmt länger warten, bis Ihr Beitrag bei Facebook & Co. erscheinen wird. Laden Sie bei einer Plattform hoch, für die die Richtlinie gilt, sind Sie rechtlich auf der sicheren Seite, weil diese die Verantwortung für die Inhalte trägt.

 

Artikel 11: Leistungsschutzrecht für Verlage

Artikel 11 der neuen Reform regelt ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Genauso wie Artikel 17 soll er die Verbreitung von Inhalten ohne ein vorheriges „Go“ der Rechteinhaber verhindern. Genauso umstritten ist er auch, weswegen ihm Gegner den Beinamen "Googlesteuer" verliehen haben. Hintergrund: Suchmaschinen oder News-Portale dürfen der Richtlinie zufolge nicht mehr ohne Weiteres Überschriften und kurze Ausschnitte in sogenannten Snippets in ihren Suchergebnissen anzeigen. Links sind davon zwar ausgenommen. Linkvorschauen, die normalerweise Titel und Teaser eines Artikels gleich mit indizieren, aber nicht.

Das ist für die Nutzer natürlich unbefriedigend, weil in den Google-Treffern gar nicht mehr erscheint, wovon ein Artikel handelt. Mit der Folge von weniger Traffic. Befürchtet wird außerdem, dass größere Verlage gegenüber kleineren bevorzugt werden könnten, da Suchmaschinen-Anbieter möglichst wenig Geld für Lizenzen ausgeben wollen.

 

Problematisch: Der Blick in die digitale Glaskugel

So sicher wie das Amen in der Kirche ist: Das Internet wird wegen der beschlossenen Reform nicht zum Sterbefall. Im Gegenteil – es wird noch viele Jahre weiterleben. Allerdings sieht es ganz danach aus, als würde die Vielfalt des World Wide Web zukünftig kleiner werden. Wie streng die Justiz die neuen Vorschriften durchsetzen wird, lässt sich momentan schwer vorhersehen. Kritiker betonen die Lückenhaftigkeit von Artikel 17, der bei essenziellen Punkten zu wenig ins Detail ginge.


Und auch datenschutzrechtliche Fragen bleiben offen. Nach Einschätzung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, besteht gerade beim Einsatz von sogenannten Upload-Filtern die Gefahr, dass große Anbieter solcher Software verstärkt Daten über Nutzer vieler Plattformen und Dienste im Internet bekommen.

 

Fazit: Die Quadratur des Kreises

Dass das aktuelle Urheberrecht veraltet ist, darüber sind sich Befürworter wie Kritikerinnen der Reform schon lange einig. Doch es sollte mit der Novelle einfacher geregelt und an die digitale Welt von heute angepasst werden. Wenn, wie dargestellt, viele Fragen offenbleiben, bleibt zu hoffen, dass die Quadratur des Kreises gelingt – eine Regelung, die sowohl Netztauglichkeit, Presse- und Meinungsfreiheit als auch Urheberschutz für alle garantiert.

 

 

Hinweis: Sofern in diesem Beitrag wichtige Informationen fehlen oder die Faktenlage anders sein sollte, geben Sie uns gerne Bescheid. Wir werden diesen Artikel dahingehend kontinuierlich aktualisieren und an die neue Rechtslage anpassen.


Bildnachweis:
Datenschutz-Stockfoto/www.shutterstock.com | Christian Wiediger/www.unsplash.com | Gronkh/www.youtube.com

 

 

 

 

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